Die Geschichte vom kleinen Vogel, der das Fliegen nicht lernte

little bird 1 | neumann.digital

Digitaler Kitaplatz-Vergabefrust mit Little Bird. (Dieser Beitrag stammt ursprünglich aus meinem wöchentlichen Newsletter, den du kostenlos abonnieren kannst.)

Falls du meinen Newsletter schon etwas länger liest, weißt du, dass ich im vergangenen Sommer zum ersten Mal Vater geworden bin.

Das verschafft mir den zweifelhaften Genuss, persönlich mitzuerleben, wie der Stand der Digitalisierung in Sachen staatlich organisierter Kinderbetreuung und später auch -erziehung ist. 

Und so geht es im heutigen Newsletter um meine Erfahrungen mit dem digitalen Kitaplatz-Vergabesystem, das (nicht nur) hier in Köln im Einsatz ist. 

Little Bird: Eine Gründer-Traumstory

Eigentlich ist es eine traumhafte Gründer-Story: Anke Odrig, eine alleinerziehende Mutter – frisch getrennt und gerade in eine fremde Stadt gezogen – entwickelt ein Online-Portal, das Eltern die Suche nach einem Kita/Kindergarten-Betreuungsplatz für ihr Kind/ihre Kinder erheblich erleichtert.

Die Betriebswirtin gewann für ihr Portal Little Bird sogar den Deutschen Gründerpreis 2015. Eltern können damit einfach selbst ihr Kind anmelden, passende Kitas nach verschiedenen Kriterien auswählen und dann eine Betreuungsanfrage bei den Einrichtungen stellen. 

Auch für die Kommunen hört es sich verlockend an: Die Software erfasst für sie automatisch und ohne Dopplungen die Nachfrage nach Kita-Plätzen, hilft so bei der Bedarfsplanung und verhindert Mehrfachbelegungen. Zudem werden mit Little Bird die Anforderungen des Onlinezugangsgesetzes für diese Verwaltungsleistung erfüllt.

Es war – das überrascht wohl die Wenigsten – dennoch ein steiniger Weg, die öffentliche Verwaltung von der Online-Lösung zu überzeugen. Inzwischen jedoch wird Little Bird von über 350 Kommunen verwendet. Eine echte Erfolgsgeschichte für die Little Bird GmbH

Als ich davon las, fand ich die Idee auch super und war geradezu überrascht, wie fortschrittlich das Thema Kitaplatz-Vergabe von der Stadt Köln gehandhabt wird. 

Nur 2 Tage nach der Geburt unseres Sohns stellte ich daher unsere Betreuungsanfragen – schon vorher hatte ich mir in einer Merkliste im Portal gespeichert, bei welchen Einrichtungen wir uns „bewerben“ wollten.

Und auf den Kita-Websites stand auch zu lesen: „Bitte kontaktieren Sie uns nicht direkt für Platzanfragen, nutzen Sie das Little Bird-Portal“. Super, kein Geschacher und Geklüngel (soll es in Köln ja geben), sondern eine regulierte Vergabe der begehrten Kita-Plätze.

„Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, so wird die Vergabe doch sicher gehandhabt“, dachte ich und rechnete uns gute Chancen aus, für die Zeit ab August 2023 einen Platz für unseren Sohn zu ergattern. Immerhin mehr als ein Jahr Vorlauf.

Die Realität: Absagen sind per Telefon und E-Mail abzuholen

Vielleicht ahnst du, wie die Geschichte weitergeht: Die digitale Kitaplatz-Vergabe via Little Bird machte nicht mal einen lahmen Flügelschlag. Monatelang wartete ich auf Rückmeldung der Kitas. Meine 5 Anfragen (das ist die maximal mögliche Anzahl) schlummerten friedlich mit dem Vermerk „aktiv“ in der Little Bird-Übersicht. 

Anfang Dezember hatte meine Geduld ihr Ende erreicht und ich griff nun doch zum Telefon bzw. wenn ich nicht durchkam zur E-Mail, um die Kitas abzuklappern. Ich tat also das, was durch das Little Bird-Portal genau verhindert werden sollte. Und erst da merkte ich, wie hoffnungslos unsere Suche tatsächlich war.

Denn erst auf Nachfrage sahen sich die meisten Kitas veranlasst, mal in das Portal zu gehen und unsere Anfrage abzulehnen (Ausnahme: eine Kita, deren Leiterin mir am Telefon mitteilte, dass es im ganzen Jahr 2023 voraussichtlich nur einen freien Platz dort gäbe – und man wisse auch noch nicht, wann dieser frei werde). 

Das zeigt einmal mehr: Ein Online-Portal, so fortschrittlich es auch sein mag, steht und fällt mit den Menschen, die es bedienen. Die Software von Little Bird tat elternseitig ja das, was sie sollte – wenn am anderen Ende aber niemand in die Anfragen schaut (vielleicht ja weil – aber das ist natürlich nur eine böse Unterstellung – die wenigen zu vergebenden Plätze eben doch schon unter der Hand versprochen wurden), dann nutzt auch das beste Online-System nichts. Und offenbar wurde Little Bird von der Stadt Köln bisher auch nicht dazu verwendet, das Platzangebot der Kitas dem tatsächlichen Bedarf anzupassen.

In der aktuellen Nutzungsrealität hätte es keiner – mit Sicherheit nicht günstigen – Portallösung bedurft. Eine einfache Suchmaske mit Kontaktformular erreicht dasselbe, wenn der gesamte nachgelagerte Prozess ohnehin auf dem „alten Weg“ bearbeitet wird. Das soll natürlich nicht heißen, dass ich ein Kontaktformular besser gefunden hätte. Aber ein Vergabe-Portal, das nicht so genutzt wird, wie es gedacht ist, macht den Vergabeprozess eher schwieriger als einfacher.

Es kann ja sein, dass unsere Erfahrung ein Einzelfall war und Little Bird für andere Familien bzw. in anderen Kommunen wunderbar funktioniert – falls das bei dir so war, schreib mir bitte

Unsere eigene Suche hat in dieser Woche übrigens ein Happy End gefunden, denn unser kleiner Mann kommt ab August zur Tagesmutter. Bei der Platzvergabe bei Tagesmüttern und -Vätern kommt nämlich kein kleiner Vogel zum Einsatz.

Stattdessen werden Anfragen ganz klassisch zentral von der Kontaktstelle verwaltet. Die MitarbeiterInnen dort begleiten den Vermittlungsprozess aktiv und haken auf beiden Seiten nach, falls es klemmt. Ergebnis: Schon beim ersten Versuch bekamen wir eine Betreuung für unser Kind.

5/5
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David Neumann

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